Festveranstaltungen zum 100. Geburtstag von Helmuth James von Moltke
Die Veranstaltungen zum 100. Geburtstag von Helmuth James von Moltke fanden unter dem Titel „Ich musste doch so handeln, und würde es wieder tun.“ statt. Anwesend bei den Veranstaltungen waren unter anderem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ehemalige polnische Außenminister Bronislaw Geremek.
Vor 100 Jahren am 11. März 1907 wurde Helmuth James von Moltke in Kreisau geboren. Im Pfarrhaus der Gemeinde Grodziszcze (Gräditz), zu der Kreisau damals gehörte und heute gehört, zeigte Pfarrer Bolesław Kałuża († 2005) interessierten Gästen mit Stolz den Eintrag über die Geburt und Taufe des berühmten Kreisauers in dem alten deutschen Kirchenbuch. Gestorben ist Helmuth James von Moltke jung wie viele andere Mitdenker und Mithandelnde des Kreisauer Kreises: Mit nur 37 Jahren wurde er in Berlin hingerichtet.
Im Jahr 2007 feiern wir somit das Erbe eines Lebens, das im „zusammen Denken“ und im Handeln die Freiheit des Neuanfangs und den Dialog in der Pluralität gesucht hat. Schon in den Wirren der zerbrechlichen Demokratie der 20er Jahre organisiert der 21jährige Moltke für etwa einhundert Bauern, Arbeiter und Studenten das so genannte „Löwenberger Arbeitslager“ mit dem Ziel, soziale, politische und konfessionelle Gegensätze zu überbrücken. Auf dem Höhepunkt von Hitlers Popularität, 1940, beginnt Moltke zusammen mit Peter Yorck von Wartenburg systematisch damit, den Kreisauer Kreis aufzubauen.
Warum organisiert ein Mensch einen Widerstandskreis unter den Bedingungen absoluter Konspiration und im Wissen um die Gefahren bewusst plural, mit Menschen unterschiedlicher Auffassungen, unterschiedlicher politischer und konfessioneller Herkunft? Dabei hätte es doch viel näher gelegen, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben. Der junge, nachdenkliche und komplizierte Moltke hatte verstanden, dass Neuanfang und Freiheit nach den Zerstörungen des Nationalsozialismus nicht nur materiell, sondern gerade „in den Köpfen und Herzen der Menschen“ nur unter einer Bedingung zu erreichen sind: In der Anerkennung und Bejahung unserer menschlichen Unterschiedlichkeit, die den Kern von Demokratie und Freiheit bildet.
Mit Helmuth James von Moltkes Geburt feiern wir 2007 das Leben, das nicht vom Tod, sondern vom Anfang her bestimmt ist. Vielleicht war es die Freiheit des Beginnen-Könnens, die uns 1989, einem Jahr vieler Neuanfänge, befähigt hat, die Kreisau-Initiative Berlin e.V. zu gründen und die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Polen bei dem Wiederaufbau des Gutes Kreisau als Europäische Jugendbegegnungsstätte so optimistisch zu beginnen und zu gestalten. Im Jahr 2004 haben wir wieder mit bürgerschaftlichem Engagement und viel Freude zusammen mit der großartigen Ratgeberin Freya von Moltke, der Witwe von Helmuth James, eine neue Stiftung ins Leben gerufen: die Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau. Gemeinsam mit Menschen, denen die deutsch-polnischen Beziehungen und das Zusammenwachsen Europas am Herzen liegen, will die Freya von Moltke-Stiftung zum langfristigen Erhalt des Ortes beitragen, an dem inmitten einer Diktatur Visionen für ein friedliches und vereintes Europa vorgedacht wurden und heute von jungen Menschen aus Ost- und Westeuropa erfahren und gelebt werden.
Im Moltke-Jubiläumsjahr veranstalten wir gemeinsam mit unseren Partnern in Polen und Deutschland eine Reihe von Tagungen, Konzerten und Ausstellungen, zu denen wie Sie herzlich einladen. Zudem möchten wir Sie auf drei Biografien zu Moltke hinweisen, die ebenfalls 2007 erscheinen. Ganz besonders möchten wir Sie aber in Polen willkommen heißen, im historischen Kreisau dem heutigen Krzyżowa. Tagesbesuchern und Reisegruppen bietet die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung Rundgänge zur Geschichte Kreisaus unter besonderer Berücksichtigung der Kindheit und Jugendjahre Helmuth James von Moltkes an.
Annemarie Cordes
Vorstand der Kreisau-Inititative Berlin e. V.
Mitglied im Stiftungsrat der Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau
Annemarie Franke
Vorstand der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung
Leiterin der Kreisauer Gedenkstätte
In der Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern in Hamburg fanden aus Anlass des 100. Geburtstages von Helmuth James von Moltke folgende Veranstaltungen statt.
Mittwoch, 7. März
Veronica Jochum von Moltke spielte Werke von Bach und Mozart, Helmuth Caspar von Moltke sprach über seinen Vater
„A Journey To Kreisau“ von Marc P. Smith, Szenische Lesung mit Mitgliedern der University Players’, Hamburg
Donnerstag, 8. März
Festvortrag von Prof. Dr. Matthias Kroeger: „Über die Kostbarkeit von Mut und Klarheit“
Forumsdiskussion mit dem Moltke Biografen Prof. Dr. Günter Brakelmann, Marc P. Smith und Annemarie Franke, Gedenkstätte Kreisau
„Kreisau 412″, szenisches Theaterstück, Teatr Formy, Wrocław, Polen
Vom 9. bis 10. März 2007 lud die Evangelische Akademie Berlin in Kooperation mit der Kreisau-Initiative Berlin e. V., der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung und der Stiftung 20. Juli 1944 zur Tagung in die Evangelische Bildungsstätte auf Schwanenwerder ein. Referenten waren u.a. Dr. Andrew Chandler (Direktor des George Bell Institute, Birmingham), Adam Krzeminski (Publizist der Wochenzeitung Polityka, Warschau) und Prof. Dr. Günter Brakelmann (Autor und Biograph Helmuth James von Moltkes).
Zum Abschluss dieser Tagung las Jannek Petri aus dem Manuskript zur demnächst erscheinenden Biographie Helmuth James von Moltkes von Jochen Köhler in der Französischen Friedrichstadtkirche am Berliner Gendarmenmarkt.
Gedenkgottesdienst
Am 11. März 2007 fand im Französischen Dom am Gendarmenmarkt ein Gottesdienst zum Gedenken an Helmuth James von Moltke statt, den Dr. Margot Käßmann, die Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers, und Alfons Nossol, Erzbischof der Diözese Opole (Oppeln) hielten.
Festakt im Konzerthaus Berlin
Den Höhepunkt der Feierlichkeiten bildete das Festkonzert des Jungen Klangforum Mitte Europa am 11. März 2007 im Konzerthaus Berlin.
Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte Helmuth James von Moltke zu Beginn in ihrem Grußwort für seine europäischen Visionen und sein Vermächtnis „für Frieden, für Freiheit, für Toleranz, für Achtung der Menschenrechte und für persönlichen Mut“. Für Professor Bronisław Geremek, den polnischen Außenminister von 1997 bis 2000, dessen Eltern im Holocaust ums Leben kamen, bedeutete das Wirken von Deutschen wie Helmuth James von Moltke eine Möglichkeit der Aussöhnung mit den Nachbarn.
Anschließend führten junge Musiker aus Tschechien, Polen und Deutschland die 2. Sinfonie c-Moll („Auferstehungssinfonie“) von Gustav Mahler auf. Die Mitglieder des Jungen Klangforum Mitte Europa hatten das Stück zuvor in Kreisau eingeübt.
Als Solistinnen konnten Ofelia Sala (Sopran) und Stella Doufexis (Alt), zwei international gefeierte Künstlerinnen, gewonnen werden. Es sang der Chor der Deutschen Oper Berlin.
Im Kreise von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Freunden und Partnern feierte die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung am 13. März den 100. Geburtstag von Helmuth James von Moltke. Parallel dazu zeigte das Zentrum Karta e. V. in seinen Räumen die Kreisauer Dauerausstellung „In der Wahrheit leben. Aus der Geschichte von Widerstand und Opposition im 20. Jahrhundert”. Begleitend dazu fanden Filmaufführungen, Zeitzeugengespräche und Begegnungen statt.
Die Veranstaltung stand unter dem Titel „Ethisch-religiöse Grundlagen einer europäischen Nachkriegsordnung. Zum 100. Geburtstag von Helmuth James von Moltke“.
Polnische Wissenschaftler stellten ihre Forschungsschwerpunkte zu Leben und Werk des jungen Moltke vor, u.a. Moltkes Studienzeit – die Breslauer Fakultät für Rechtswissenschaften in den 20er Jahren, Moltkes Engagement in der Region Waldenburg und für die Löwenberger Arbeitsgemeinschaft. Gleichzeitig wurde auf dem Platz vor der Elisabethkirche eine Freiluftausstellung über das Neue Kreisau mit Bezügen zum historischen Kreisau und der Biografie Helmuth James von Moltkes präsentiert.
Veranstalter waren der Verein der Freunde Kreisaus in Breslau und die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung.
Die Kreisauer Dauerausstellung „In der Wahrheit leben” wurde im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg präsentiert. An Beispielen zeigt sie individuelle Haltung einzelner Menschen, die Bildung alternativer Gruppen sowie Formen oppositionellen Handelns in Ländern Mittel- und Osteuropas. Für die Zeit des Nationalsozialismus steht der Kreisauer Kreis im Mittelpunkt.
Veranstalter waren die Kreisau-Initiative Würzburg, das Caritas-Pirckheimer-Haus, das Nürnberger Menschenrechtszentrum e. V., die Stadt Nürnberg und andere.
Die Tagung „Ein denkwürdiger Besuch in der Türkei 1943 – Moltke und die Türkeierfahrung seiner Generation im Spiegel aktueller Debatten“ widmete sich den politischen Hintergründen einer Reise Moltkes nach Istanbul im Juli 1943. Ausgehend von der historischen Rolle der Türkei in Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Unterschiede in den polnischen und deutschen Türkeibildern von heute analysiert und mit aktuellen Interessenskonflikten um die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union verknüpft.
Veranstalter waren die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung und das Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien an der Universität Wroclaw.
Das Bundesfinanzministerium ehrte die vom NS-Regime ermordeten Widerständler Helmuth James Graf von Moltke und Claus Schenk Graf von Stauffenberg mit einer Sondermarke aus der Reihe „Aufrechte Demokraten“.
Diese Sonderpostwertzeichen-Serie soll in besonderer Weise Menschen auszeichnen, die sich unter Einsatz ihres Lebens gegen jedwede staatliche Willkür und Terrorherrschaft zur Wehr gesetzt haben. Als Vertreter Vieler werden von Moltke und von Stauffenberg gemeinsam auf einer Briefmarke gewürdigt. Die 55 Cent-Marke ist seit dem 1. März 2007 in den Filialen der Deutschen Post erhältlich.