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Kreisau-Reise 2006

In Kreisau selbst erlebten die Gäste ein dichtes Programm: Nebst Führungen und einer sehr spannenden Präsentation Kreisauer Projekte wurde eine Lesung aus einer im nächsten Jahr erscheinenden Doppelbiographie zu Alfred Delp und Helmuth James von Moltke von Elke Endraß geboten. Natürlich aber auch Vorträge und Diskussionen zum Leitthema der Reise „Deutsch-polnische Beziehungen“ nach den Wahlen im Herbst 2005 sind ein spannendes und mit vielen Kontroversen der letzten Monate behaftetes Sujet.

Dr. Robert Żurek, Mitarbeiter des kürzlich in Berlin eröffneten Zentrums für historische Forschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften, berichtete als Kirchenhistoriker und exzellenter Kenner der Materie von der Rolle der katholischen Kirche im heutigen Polen: zwischen traditioneller Frömmigkeit, religiösem Jugendaufbruch und Politik. Dr. Sebastian Płociennik vom Willy-Brandt-Zentrum in Wrocław zog in einem Gespräch mit Przemysław Konopka ein Resümee aus den ersten zwei Jahren Mitgliedschaft Polens in der EU und gab Einblick in die polnischen Diskussionen zu EU-Themen. Die Begegnung mit diesen optimistischen und brillianten jungen polnischen Intellektuellen ließ alle tagespolitischen Aufgeregtheiten vergessen.

In einer Abendrunde im Ballsaal des Kreisauer Schlosses startete Adam Krzeminski, Redakteur der polnischen Wochenzeitung Polityka, einen Ritt über die 17 Jahre der deutsch-polnischen Beziehungen seit dem politischen Umbruch der Jahre 1989/90. Mit enormer Sachkenntnis und stets einem Schuss Ironie beleuchtete er Hintergründe der jüngsten politischen Entwicklungen, Ursprünge und Ausdrucksformen polnischer und deutscher Befindlichkeiten im Umgang miteinander. Die anschließenden Diskussionen im Clubraum des Gästehauses zogen sich bis weit nach Mitternacht hin.

Am Sonntag wandten sich die Gäste, in Gruppen verteilt, dem Sitz der Familie Yorck von Wartenburg in Klein-Öls zu, erkundeten die Geschichte der Stadt Breslau in deren ältestem Teil zwischen Sandwerder und Ring, ließen sich von Herrn Sachs, Mitarbeiter des Generalkonsulats in Wrocław, in die Breslauer Moderne einführen; die Jahrhunderthalle von Max Berg mit der wunderbaren Pergola von Hans Poelzig, Hans Scharouns 1929 im Rahmen einer Werkbundausstellung erbautes Junggesellenwohnheim, Mendelsohns Kaufhaus und Poelzigs berühmtes Bankgebäude standen hier auf dem Programm. Nach einer gemütlichen Mittagsrunde in einem Lokal am Breslauer Marktplatz reiste man – nach den wunderbar sonnigen Tagen im strömenden Regen – zurück nach Berlin.