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Eindrücke von der Kreisau-Reise 2024

Die diesjährige Kreisau-Reise widmete sich drei inhaltlichen Schwerpunkten: der Erinnerung an den deutschen Widerstand gegen das NS-Regime, dem Verhältnis der deutsch-polnischen Erinnerungskulturen und den aktuellen Beziehungen Deutschlands und Polens mit Blick nach Osten. Die Reiseteilnehmenden lernten Kreisau/Krzyżowa als internationale Begegnungsstätte kennen und bekamen Einblicke in die Arbeit vor Ort.

Erinnerungen an den Widerstand

„Die Reise nach Kreisau (Krzyżowa) und nach Breslau (Wrocław) hat bei mir tiefe Spuren hinterlassen. Selten habe ich Geschichte so nah und ganzheitlich erlebt.“
Peter Galli, Lehrer und Reiseteilnehmer

Am ersten Abend in Krzyżowa/Kreisau fand sich die Reisegruppe gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern aus Deutschland, Polen, Spanien und Tschechien zu einem Zeitzeugengespräch zusammen. Die beiden Zeitzeugen, Helmuth Caspar von Moltke und Dr. Axel Smend, erzählten aus den Erinnerungen an ihr Aufwachsen und thematisierten die unterschiedlichen Formen des Widerstandes ihrer Eltern. Helmuth James und Freya von Moltke, die Eltern von Helmuth Caspar, richteten in Kreisau die Treffen des Kreisauer Kreises aus, der Pläne für die deutsche Gesellschaft nach dem Ende der nationalsozialistischen Terrorherrschaft entwickelte. Der Vater von Axel, Günther Smend, war als Oberstleutnant i.G. an den Planungen des Attentats auf Hitler vom 20. Juli 1944 beteiligt gewesen.
Die anwesenden Schülerinnen und Schüler bezogen das mutige Engagement der Widerstandskämpferinnen und -kämpfer auf heutige Zeiten: Wie könne ein erneutes Erstarken rechter und antidemokratischer Kräfte verhindert werden? Der Austausch verdeutlichte, wie durch die Linse der Vergangenheit der Blick auf die Gegenwart beeinflusst werden kann und zeigte die Relevanz von Zeitzeugengesprächen für intergenerationale Erinnerung. Für die Reisegruppe wurden die Erinnerungen der Zeitzeugen am nächsten Tag durch Führungen zum Grab der Familie Moltke auf dem Kapellenberg sowie zu der Geschichte des Kreisauer Kreises ergänzt.

Deutsch-polnische Beziehungen: Von damals bis heute

Vor 35 Jahren trafen in Krzyżowa der polnische Premierminister Tadeusz Mazowiecki und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl für eine Versöhnungsmesse zusammen, die einen wichtigen Schritt der deutsch-polnischen Annäherung darstellte. Auch auf der Kreisau-Reise waren die deutsch-polnischen Beziehungen Thema. Prof. Dr. Krzysztof Ruchniewicz, Beauftragter des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Polen für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenzüberschreitende Zusammenarbeit, zeigte in seinem Input verschiedene Konfliktfelder der Erinnerungskulturen beider Länder auf. Beispielsweise würden verschiedene Jahrestage des Zweiten Weltkrieges in Polen und Deutschland unterschiedlich stark erinnert. Ruchniewicz diagnostizierte ein Zögern der deutschen Politik, sich für eine deutsch-polnische Erinnerungskultur einzusetzen. Wichtig sei es unter anderem, so Ruchniewicz, Erinnerungsorte an die polnischen Opfer des NS-Regimes in Deutschland zu errichten. Das länderübergreifende Geschichtsbuch „EUROPA – Unsere Geschichte“ für den Schulunterricht sei ein wichtiger Schritt um Wissenslücken abzubauen, Sensibilität für Geschichte zu entwickeln und gemeinsame Erzählungen zu stärken. Auch Cornelius Ochmann, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit sprach sich für eine stärkere Kooperation der beiden Länder aus – nicht nur in dem Bereich der Erinnerungskultur. Die heutige deutsch-polnische Zusammenarbeit in der Wirtschaft könne als gutes Beispiel dienen. Ochmann verwies jedoch auch auf unterschiedliche politische Positionen der beiden Länder, beispielsweise zu dem russischen Krieg gegen die Ukraine oder der europäischen Zusammenarbeit.

Kreisau und seine Arbeit

Von der Grenzen überwindenden Arbeit Kreisaus konnten sich die Reiseteilnehmenden während ihres Aufenthalts ein umfangreiches Bild machen. Die Mitarbeitenden der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung stellten einige wichtige Projekte vor. Zum Erhalt des historischen Ortes wird momentan das Berghaus, Herzstück der Erinnerung an den Kreisauer Kreis, saniert. Die Kreisauer Ukraine-Hilfe bietet seit Februrar 2022 Menschen aus der Ukraine einen sicheren Zufluchtsort und unterstützt sie in ihren Belangen. Die vorgestellten Jugendprojekte Kreisaus machten deutlich, dass internationaler Austausch auf verschiedene Arten und Weisen stattfinden kann, wie beispielsweise in Musik- und Geschichtsprojekten oder Projekten zur Berufsorientierung. Jugendbegegnungen seien ein zentrales Mittel, um rechten Gesinnungen vorzubeugen und das Engagement für ein friedliches Europa zu stärken, betonte Robert Żurek, geschäftsführender Vorstand der Stiftung Kreisau. Nicht zuletzt deshalb sei es wichtig, die Förderung Kreisaus zu sichern – durch staatliche Förderung aus Deutschland und Polen sowie durch die Unterstützung von privaten Spenderinnen und Spendern. 

Die Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau bedankt sich von ganzem Herzen bei allen, die im Anschluss gespendet haben und die Arbeit Kreisaus weiterhin möglich machen.
Wir danken außerdem ganz herzlich allen Referierenden und Teilnehmenden für die interessanten Beiträge und Diskussionen.